Information Management

15.02.2016

Warum nur noch von Information Management sprechen? Wir leben doch in einer Welt von bekannten Branchenbegriffen wie DMS, ECM, BPM, DAM, CMS, EIM usw. Was verändert sich, wenn man einen neuen Oberbegriff etabliert?

Akronyme dominieren die Fachterminologie der ITler. Begriffe wie ECM Enterprise Content Management, Collaboration, BPM Business Process Management stoßen vielfach auf Unverständnis – zumindest bei den nicht unbedingt Technik-affinen Entscheidern in Deutschland. Zur Akronymologie kommt hier die die sprachliche Verzerrung. Abkürzungen und Begriffe aus dem Englischsprachigen werden häufig anders interpretiert, als ursprünglich definiert. So erklärt es sich auch, dass nach 17jähriger Missionarstätigkeit für ECM Enterprise Content Management in Deutschland bei vielen noch unbekannt ist. Noch immer sind Begriffe wie Dokumentenmanagement, elektronische Akte und revisionssichere Archivierung geläufiger. Und die Flut der Akronyme versiegt nicht.

Aber um den Begriff ECM Enterprise Content Management aufzugreifen, der eine Branche, Strategien und Methodik zur Informationsverwaltung und den Umfang von Funktionalität von Softwareprodukten beschreiben soll; dieser Begriff ist in seinem Ursprungsland in den vergangenen Jahren unter Druck geraten. Nach neuen Botschaften wird gesucht. Die Marketiers brillierenmit neuen Kürzeln, die Veränderung, Weiterentwicklung, etwas Neues signaliseren sollen: nextECM, ECMnext, next gen ECM, cloudECM, agileECM, postECM usw. usw.

Zum Einen liegt dies daran, dass sich Technologien und Nutzungsmodelle weiterentwickelt haben, zum Anderen aber auch daran, dass sich ECM nicht mit der gleichen Bedeutung wie ERP oder CRM als feststehender Begriff durchgesetzt hat. Immerhin war ECM fast 17 Jahre lang in seiner Bedeutung stabil. Als Anwender konnte man ein bestimmtes Leistungsportfolio erwarten, als Anbieter wusste man, wo man hingehört. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Immer weniger Anbieter wollen sich in das zu enge Korsett des Begriffes einpressen lassen.

Ein Problem liegt auch darin, dass der Begriff „Content“ in der Definition des Branchenverbandes AIIM international mit unstrukturierten Inhalten wie Dokumenten gleichgesetzt wird. Dabei war die Verwaltung von strukturierten Daten, z.B. bei der Listenarchivierung, schon immer Bestandteil von ECM. Und das Portfolio von ECM wurde selten voll ausgeschöpft. Erst jetzt beginnt man, BPM als Komponente von ECM zu integrieren, WCM Web Content Management ist weitgehend außen vor gebieblien, Collaboration hat sich längst durch Social ausgeweitet, und Deliver bietet mit Omni-Channel-Publishing eine Vielzahl neuer Funktionalität, die längst nicht in den meisten ECM-Lösungen ausgeschöpft ist. Von Records Management i Deutschland ganz zu schweigen - immer noch kaum bekannt. Also warum dann ECM ausweiten, wenn es noch nicht einmal vollständig im Einsatz ist?

Schon seit einigen Jahren gibt es Initiativen, aus ECM, nun erweitert, EIM Enterprise Information Management zu machen. Ein neues Akronym mit neuem Anspruch. Es geht um die Verwaltung und Erschließung aller Informationen. Einerseits kommt neue Funktionalität hinzu, andererseits ergänzt EIM auch ECM im Kern. Aber EIM unterstützt auch die vielfältigen neuen Entwicklungen mit den Prinzipien eines geordneten  Information Management, der Information Governance, aller neuen ITK-Entwicklungen, die zum Anschwellen der Informationsflut geführt haben.

Warum nur noch von Information Management sprechen?

Es ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll, sich von den ambivalenten Begriffen „Enterprise“ und „Content“ zu lösen. „Enterprise“ kann stehen für „des Unternehmens“, „im Unternehmen“,  „für das Unternehmen“ oder „unternehmensweit“. Unternehmensweit ECM umzusetzen haben in den vergangenen 17 Jahren die wenigsten Anwenderorganisationen geschafft. Das „Enterprise“ selbst fasert an den Rändern aus. Informationen liegen vielfach außerhalb des Unternehmens in Portalen, Social Media und anderswo. Kunden, Lieferanten und andere Partner werden in die Informationsnutzung in den Unternehmen einbezogen. Der Begriffsbestandteil „Enterprise“ hilft zukünftig als Abgrenzung bestimmter Lösungsangebote nicht mehr weiter. „Cloud“ und „Mobile“ haben diese Grenzen aufgeweicht.

Der ECM-Begriffsbestandteil „Content“ wird vielfach mit Webinhalten assoziiert. Nimmt man dann noch die unpassende Eingrenzung aus der AIIM-Definition hinzu, wird dies den aktuellen Entwicklungen in keiner Weise mehr gerecht.  Es gilt, nur noch von „Information“, also auch nur von "Information Management", zu sprechen.

Hierfür gibt es eine Reihe von Argumenten, die uns "Jenseits von ECM" führen:

  • Eine Abgrenzung von Produktkategorien nach Funktionalität oder Formaten, wie Document Management, Content Management, Asset Management, E-Mail-Management, etc. macht keinen Sinn mehr, da heutige Anwendungen alle Typen und Formen  von Information verarbeiten können müssen. Die alte Grenze zwischen „CI“ und „NCI“ ist nicht mehr existent.
  • Um die werthaltigen, relevanten Informationen aus der Menge aller Informationen überhaupt herausfiltern zu können, müssen zunächst alle Informationen betrachtet und bewertet werden.  Erst danach kann man dann die wichtigen Informationen in ein Records Management, Archiv oder in ein anderes Repository einsortieren.
  • Das herkömmliche Dokument löst sich auf. Besonders durch mobile Endgeräte werden aus Dokumenten heute Daten, die strukturiert in Layouts oder Apps angezeigt werden. Sie „simulieren“ nur noch den Dokument-Charakter.
  • Der Begriff Information ist medienneutral. Der Begriff schließt so auch die Verwaltung von physischen Medien ein, z.B. die Standorte von Aktenordnern. Wir müssen uns nicht mehr nur auf die elektronischen Objekte beschränken.
  • Der Begriff Information schlägt die Brücke zum Wissen und zur Kommunikation. Information ist nur dann nützlich, wenn sie kommuniziert wird. Wissen ist das einzige Gut, dass mehr wird, wenn man es teilt.
  • Informationswissenschaft, Informationswirtschaft, Wirtschaftsinformatik – all dies sind anerkannte Studienfächer. Im Gegensatz dazu ist es kaum möglich einen universitären Studiengang für ECM Enterprise Content Management zu finden. Die Grundlagen des Information Management sind wissenschaftlich und praktisch fundiert.

Information Management ist der einzige Begriff, der als übergreifende Klammer geeignet ist.

Der Nachteil des Begriffes  Informationsmanagement ist, dass er im Vergleich zu Begriffen wie Dokumentenmanagement oder anderen viel weiter gefasst ist. Darin liegt auch die Herausforderung, die Inhalte und Funktionalität einer Information-Management-Lösung genauer und konkreter zu beschreiben, damit der potentielle Anwender sich etwas Konkretes darunter vorstellen kann. Auch dies wäre ein Fortschritt, weg von der Akronymologie der Funktionalität hin zu mehr Klarheit. 

Also lasst uns nur noch von Information Management sprechen.

Zuletzt aktualisiert am 23.10.2016 , Autorenrechte, Persistente URL: http://archiv.pc.qumram-demo.ch/in_der_diskussion/information_management

Kommentare

Moin, Moin! Jetzt ist Informationsmanagement auch im hohen Norden angekommen. Ich freue mich über die uneingeschränkte Unterstützung und die umfassende Definition in Kampffmeyerscher Qualität.

Hinweis: In der Bauwirtschaft haben wir sogar den Arbeitskreis Informationsmanagement (AKIM) des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie http://goo.gl/lZoPxp danach benannt.

Peter Rösch

P.S. Was so ein Abendessen auslöst!

Lieber Herr Kollege Rösch, vielen Dank für Ihren Post.

Allerdings benutzen wir den Begriff Informationsmanagement als übergeordnete Bezeichnung schon seit einem Jahrzehnt, so z.B. als Motto unserer Internetpräsenz "Experten für Information Management". Enterprise Content Management war uns in der Definition zu eng, obwohl der Anspruch von ECM war, unstrukturierte und strukturierte Informationen zusammenzubringen. Es macht aber heute keinen Sinn mehr, einen Unterschied zwischen strukturiert und unstrukturiert zu machen: die Software muss alles verwalten und erschließen. Wir haben daher schon vor 8 Jahren ECM in Enterprise Change Management umdefiniert und mit EIM Enterprise Information Management versucht, eine logische Brücke von ECM zum Informationsmanagement zu schlagen. Das "Enterprise" kann man sich aber inzwischen auch sparen, da die Informationen des Unternehmens sich auch an anderen Orten als nur innerhalb befinden und sich die Grenzen der Unetrnehmen durch zunehmende Virtualisierung auflösen. Informationsmanagement ist der einzige Begriff, der heute noch als Dach für alle Entwicklungen unserer Branche geeignet ist.

Wir bei PROJECT CONSULT freuen uns sehr, dass dies auch im Süden Deutschlands auch so gesehen wird. Und natürlich freue ich mich auf die nächste Gelegenheit beim Abendessen einige Gedanken zu diesem Thema fortzuführen.

Ulrich Kampffmeyer  

Das meint auch Joe Shepley in seinem Artikel "Stop Complicating Information Management": http://bit.ly/JoeShepley . Also so im doppelten Sinn, es muss "einfach" auf jeden Fall vorhanden sein, und es muss "einfach" zu nutzen sein. Man soll auf keinen Fall das Thema und den Einsatz der Lösungen unnötig verkomplizieren. Joe schreibt als Einleitung:

"Whatever buzzword you use — Information Management, Enterprise Content Management, Document Management, Records Management, Records and Information Management, Information Lifecycle Management — it's clear that most organizations aren't getting the value they expected (or paid for) from their efforts."

Ihm geht es darum, wie Erfolg einer Information Management Maßnahme definiert und erreicht wird. Die Ziele müssen realistisch definiert werden. Die Probleme liegen dabei weniger an der Software sondern am Einführungsprozess und an der Erwartungshaltung. 

Das Unternehmen von Joe Shepley, Doculabs, gehörte zu den frühesten Promotoren von ECM Enterprise Content Management. So ist die Abkehr von diesem - und anderen Begriffen - und die Zuwendung zum generellen Informationsmanagement durchaus bemerkenswert. Doculabs firmiert inzwischen unter dem gleichen Slogan, den PROJECT CONSULT bereits seit Jahren benutzt "Experten im Information Management".

Den englischsprachigen Artikel können wir zur Lektüre empfehlen: http://bit.ly/JoeShepley

Gespeichert von Saskia Untiet-Kepp (nicht überprüft) am/um 31. Mai 2016 - 16:18 Permanenter Link

Ich würde gerne einen weiteren Begriff einwerfen: Information Architecture ist einerseits ähnlich weit gefasst wie der Begriff Information Management, andererseits auch sehr unterschiedlich definiert (es kann die Informationsarchitektur eines einzelnen Systems gemeint sein, also im Prinzip dessen Navigationsstruktur, es kann aber auch um die Architektur aller (internen und externen) Informationen, die für ein Unternehmen wichtig und relevant sind gehen). Wie würden Sie diesen Begriff definieren und ggf. von Information Management abgrenzen? Viele Grüße, Dr. Saskia Untiet-Kepp

Liebe Frau Untiet-Kopp,

für "Information Architecture" wie auch für "Information Management" gibt es unterschiedliche Definitionen - von akademisch bis zu produktbezogen. Wir halten es hier mit der Begrifflichkeit und den Definitionen, wie wir sie auch in in unseren AIIM-ECM-Master-Zertifizierungskursen verwenden (hergeleitet z.B. von Mike2).

"Information Architecture" beschäftigt sich mit der Struktur und den Inhalten von Information selbst. Wo liegt welche Information, welche Anwendungen erzeugen und nutzen sie, wie steht es um den Lebenszyklus, Berechtigungen und regulatiorische Anforderungen. "Information Architecture" ist so eine der Strukturierungskomponenten im "Information Management"- Letzteres beschäftigt sich mit der Verwaltung und Erschließung von Information. Andere Komponenten des Informationsmanagements wären die "Information Governance", die "Informationslandkarte" oder der "Information Life Cycle" - um von einer ähnlichen Abstraktionsebene bei der Organisation, Dokumentation und Bewertung von Information zu sprechen.

Mit den besten Grüßen,

Dr. Ulrich Kampffmeyer

"Wir sprechen eigentlich nur über Information Management." - das sagte ich in der Keynote "Vom Wert der Information" bereits im Jahr 2005: http://bit.ly/WertderInformation (Seite 31). Beim Nachschlagen des ersten Aufkommens des Begriffes "Information Management" anstelle DMS, ECM usw. bin ich im Jahr 2005 gelandet. In dieser Keynote stecken aber noch ein paar weitere Anekdoten-würdige Details, wie z.B. die "10 Gebote des Information Management".

Die 10 Gebote des Information Management | Dr. Ulrich Kampffmeyer | 2005
"Die 10 Gebote des Information Management" | Auszug aus der Keynote "Vom Wert der Information" 2005 | Dr. Ulrich Kampffmeyer | http://bit.ly/WertderInformation 


Die 10 Gebote des Information Management

So spricht der Herr der Information zu seinem auserwählten Volk!

1) Du sollst nicht redundante Information neben der wahren Information haben!
2) Du sollst dir ein Bildnis von deiner Information machen, auf das du sie finden mögest!
3) Du sollst die Originalität der Information ehren und sie nicht verfälschen!
4) Du sollst deine Information nicht löschen, bevor die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist!
5) Du sollst deine Information so pflegen, dass sie immer richtig ist!
6) Du sollst nicht falsche Information benutzen!
7) Du sollst deine Information so schützen, dass sie nicht gestohlen werden kann oder zerstört wird!
8) Du sollst nicht begehren deines Nächsten Information, sondern dem Datenschutz huldigen!
9) Du sollst deine Information so ordnen, dass sie dir nützlich ist!
10) Du sollst den wahren Wert deiner Information erkennen und deine Information sorgsam bewahren!

Ramen!
Oder Slainté, wenn Ihnen das lieber ist.

 

Dr. Ulrich Kampffmeyer

Neuen Kommentar schreiben