Intelligent Information Management

14.11.2017

Nun gut, wir wissen nicht genau, was menschliche Intelligenz ausmacht. Objektive Maßstäbe fehlen. Blickt man in die Welt, in Politik, Zusammenleben und Wirtschaft, dann fragt man sich sowieso, wo ist die menschliche Intelligenz? Aktuell ist Künstliche Intelligenz (KI) das Schlagwort aller Gazetten. Auch hier muss man sich fragen, wie man den Begriff "intelligent" auf Software und Maschinen übertragen will. Letztlich funktioniert Software ganz anders als das menschliche Gehirn, besonders was das Vergessen, die Anzahl der Transaktionen, die Berücksichtung aller berechenbaren Alternativen, die nachvollziehbaren Ergebnisse, die Geschwindigkeit, die Menge auswertbarer Information usw. berücksichtigt. Intelligent ist beim Menschen etwas anderes als bei der Maschine, auch wenn man immer noch Maschinen und Software nach dem "Bild" des Menschen, seinen Eigenschaften und Verhalten, konstruiert (dies ändert sich gerade mit selbstlernenden Artificial Intelligence Systemen).

Intelligent Information Management

Der Begriffsbestandteil "intelligent" hält nun auch Einzug in die Information-Management-Branche. Der internationale Branchenverband für ECM Enterprise Content Management, AIIM Association for Image & Information Management international, will sich in Association for Intelligent Information Management umbenennen. Die Diskussion um die Neufokussierung des Verbandes läuft bereits sehr lange, da es ECM nicht geschafft hat, sich als Fachbegriff und Identifikation einer Branche am Markt dauerhaft zu etablieren. Dies lag auch daran, dass der Begriffsbestandteil "Content" nicht sehr "sexy" war und zu dem sehr nah am Begriff des Web Content Management nicht treffend genug ist. Die ECM-Branche ist bereits seit Jahren mit dem Begriff ECM "unglücklich" und hat versucht ihn weiterzuentwickeln. Analysten wie Gartner und Forrester hatten dann versucht ECM Enterprise Content Management auf "Content Services" zu reduzieren. Dies fachte die Diskussion neu an, ob man nun mit EIM Enterprise Information Management, Content Services oder etwas anderem als neuem Branchen-Leitmotto weitermachen soll. Bereits im Sommer näherte sich AIIM dem Begriff Intelligent Information Management an, da er die Möglichkeit bietet, das Akronym der AIIM unverändert beizubehalten. So schrieb John Mancini:
"It took AIIM a while – and you and I have spoken about this many times, but we’ve gotten to “Information Management”!
Congratulations 25 Years PROJECT CONSULT by John Mancini AIIM

John Mancini, AIIM, unternimmt in einem Vortrag bei M-Files einen Versuch um "Intelligent" für "Intelligent Information Management" zu definieren:
"intelligent means that the business need information management tools that are 1) easy to use, 2)  usable without a lot of IT involvement; and 3) easy to integrate in their day-to-day processes." 
John Mancini Intelligent Information Management

Das war im April und einige Anbieter haben schon damals versucht, das Thema Intelligent Information Management für sich zu reklamieren (zuerst wohl in größerem Stil Kodak in 2014). Also wenig Neues und manches dürfte dann nur ein neues Etikett für vorhandene Lösungen sein. Es geht aber darum, mehr als nur einen Schritt vorwärts zu machen.

In seinem Whitepaper "The Next Wave: Moving from ECM to Intelligent Information Management" im Mai 2017 wird John Mancini, AIIM, konkreter. Er entwirft hier eine "Roadmap", in der bisherige ECM-Komponenten neu zugeordnet werden:
AIIM Roadmap From ECM to Intelligent Information Management

Aber auch dieser Ansatz ist unzureichend und schon gar nicht konsistent, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben. Die wesentlichen Ideen von ECM - Strategien und Methoden - gehen ebenso wie die wichtigen "Manage"-Komponenten dabei unter. Stattdessen tauchen neue Schlagworte auf und werden nicht immer stimmig den neuen Überschriften "Create, "Capture", "Automate", "Deliver", "Preserve" und "Analyse" untergeordnet. 

Atle Skjekkeland, AIIM, definiert in einem Vortrag im Oktober 2017 eine weitere, seine Sicht auf IIM Intelligent Information Management:

AIIM New Approach for Intelligent Information Management
"Intelligent Information Management
- Understanding and anticipating internal and external customer expectations
- Digitalizing the core infrastructure
- Rationalizing and modernizing the information infrstructure
- Automating compliance and governance
- Levaraging analytics and machine learning."

Auch das ist zu kurz gesprungen und greift nur einige Schlagworte und Aspekte des Information Management auf. Als Definition reicht dies nicht aus. Das ist noch nicht das Banner, unter dem sich die Branche neu versammeln kann. 

Nur Information Management?

Es macht Sinn, nur noch von Information Management zu sprechen! Bisherige Definitionen von "Systemkategorien" wie Document Management, Image Management, Media Asset Management, Content Management usw. orientierten sich an den Objekten, die es zu veralten und zu erschließen gilt. Dies führte zur Bildung von Informationssilos. Die Trennung von "uncoded information" (NCI) und "coded Information" (CI) ist längst überwunden, da Information entsprechend ihrem Wert, Rechtscharakter und Inhalt übergreifend und zusammenhängend erschlossen werden muss. Mit den bisherigen Ansätzen springen wir zu kurz. Es geht nicht mehr nur um "Dokumente" oder "Prozesse", es geht um alle Informationen. Ohne diesem Ansatz wird aus den hehren Schlagworten "Digitalisierung", "IoT", Büro 4.0" usw. nichts. Bisherige monolithische Strukturen der Informationsverwaltung müssen sich ebenso wie die Produkte, die diese verwalten, ändern. Dies nur auf "Services" technischer Infrastruktur zurückzubilden - wie dies Gartner und andere tuen - langt nicht. Information Management als Strategie, als Set von Methoden, als ganzheitlicher Ansatz, darf nicht als Dienst im Untergrund der Systeme verschwinden. Information Management ist eine Management-Aufgabe auf Management-Ebene in den Organisationen und muss entsprechend in das Bewußtsein, in die Aufmerksamkeit gerückt werden. Wir sind zu 100% von der Verfügbarkeit und Richtigkeit elektronischer Information abhängig. Dies muss allen Beteiligten klar gemacht werden. Information Management erfordert höchste Priorität wenn man die digitale Transformation ernst nimmt. Digitalisierung ohne effizientes Informationsmanagement funktioniert nicht!

So gesehen ist Intelligent Information Management ein Schritt nach vorn - weg von ECM Enterprise Content Management und nicht in die Sackgasse der Content Services. Intelligent Information Management öffnet den Weg in die Zukunft mit selbstlernenden Softwaresystemen der künstlichen Intelligenz. Es zeigt, dass Software zum Partner, ja zum Kollegen, wird, mit dem man zukünftig zusammen arbeitet und zusammen lebt. Die AIIM wie auch die Anbieter gewinnen so wieder Anschluss an die zukünftigen Trends der Information- & Telekommunikation (ITK). Wir überwinden so auch die Grenzen des Denkens in traditionellen Dokumenten und öffnen uns der Idee, dass ein Dokument nur durch seinen Inhalt, Rechtscharakter und Wert definiert ist - und nicht durch sein Format. Es geht um elektronische Information in beliebiger Gestalt.

Diesen Weg haben wir bei  PROJECT CONSULT schon vor langer Zeit beschritten. Von ECM zu EIM zu Information Management im Jahr 2008. ECM musste weiterentwickelt werden, um sich in der sich verändernden Information-Management-Landschaft behaupten zu können. Wir sprechen nur noch von Information Management - denn es ging immer nur um die 10 generischen Ansätze:
- Informationsaustausch,
- Informationsnutzung,
- Informationsbereitstellung,
- Informationsschutz,
- Informationsverwaltung,
- Informationsbeherrschung,
- Informationsverteilung,
- Informationsbewertung,
- Informationsbewahrung und
- Informationsentsorgung. 

Alles dreht sich um Information, das "Gold des 21. Jahrhunderts". Beim Thema "Wert der Information" kann man dann auch noch auf unsere  "10 Gebote" aus der Keynote im Jahr 2005 zurückgreifen: 

10 Gebote des Information Management

Eine etwas andere Sicht auf das Information Management - ob nun, intelligent? Das bleibt offen.

Aber uns freut es natürlich, dass nun vom Branchenverband offiziell mit Intelligent Information Management etwas aufgegriffen wird, was wir schon vor 7 Jahren - mehr scherzhaft auf Twitter - in eine Diskussion eingebracht haben: "AIIM - ist das nicht schon seit 40 Jahren das Akronym für Association for Intelligent Information Management? ;) ".

AIIM Association for Intelligent Information Management

Nun gilt es aber noch, den neuen Begriff "Intelligent Information Management" mit Leben, das heißt, konkreten Inhalten zu füllen. Er muss vom akademischen "Informationsmanagement" abgegrenzt werden, da dort der Begriff Information Management universeller und umfassender benutzt wird. Auch sollte man nicht Verarbeitungsanwendungen wie ERP, CRM oder PLM "aufsaugen", sondern sich auf das Management der Information selbst konzentrieren. Sonst ufert das Thema aus und ermöglicht keine Identifikation von Anbietern wie auch Anwendern. Der Ansatz EIM Enterprise Information Management war schon gut, aber letztlich ist das "E" für Enterprise überflüssig. Und genauso überflüssig könnte sich das "Intelligent" erweisen - außer natürlich im Namen der AIIM um das Akronym zu bewahren.

Jenseits des Trends

Und noch etwas sollte man bedenken: die ganzen Diskussionen rund um Akronyme und Trends wie ECM, Content Services etc. werden immer noch aus den USA und der dortigen, englischsprachigen Begriffswelt getrieben. Ob die Begriffe und die Diskussionen Sinn machen wird zu wenig hinterfragt. Europa wie auch Deutschland ist immer ein Anhängsel und reagiert auf diese "Trends" sehr spät. Nur selten gelingt uns aus Deutschland heraus einen Begriff oder eine Diskussion zu treiben, wie dies mit "Industrie 4.0" gelang. Aber angesichts all der englischsprachigen Begriffe und der Dominanz der US-amerikanischen Software-, Kommunikations- und IT-Industrie sollte man sich langsam einmal fragen, was so in Indien oder China die Trends im Informationsmanagement sind. Wir leben in einer Blase "westlicher Ideen". Nun wird man nicht auf chinesische Begriffe setzen wollen, aber eine Rückbesinnung auf deutschsprachige Begriffe wie Dokumentenmanagement helfen auch nicht weiter. Durch die Globalisierung müssen wir uns in Deutschland auch weiterhin mit den internationalen Begrifflichkeiten beschäftigen und noch bestehende "Lücken" füllen. So wird auch Records Management - ein wesentlicher Bestandteil von ECM Enterprise Content Management - als eigenständige Disziplin und Begrifflichkeit weiterbestehenden, weil hier durch rechtliche Vorgaben ebenso wie bei der revisionssicheren Archivierung (als deutsche Ausprägung des Records Management nebst Aufbewahrung) Funktionalität definiert ist. So wird es auch unterhalb des "Intelligent Information Management" weitere dedizierte Lösungsangebote geben und ECM ist nicht tot, sondern ist die Infrastruktur des Intelligent Information Management. IIM als neues Akronym ist nur ein neues Dach über bewährte Inhalte, die wir noch aus dem Chaos der Akronymologie befreien müssen.

Willkommen in der neuen Ära des Intelligent Information Management!

Dr. Ulrich Kampffmeyer

 

Kommentare

Die 10 generischen Ansätze sind ausreichend. Man sollte bloss die "Informationsbeherrschung" noch erweitern zu InformationsSteuerung und -lenkung (Governance) dann wäre das Programm als Strategie fast perfekt. es fehlt dann nur noch die Umsetzung...das einzige Kriterium der Theorie ist bekanntlich die Praxis, Semantik hin oder her.

Lieber Jürg,
Informationsbeherrschung ist Information Governance und schließt daher auch Informationssteuerung und Informationslenkung mit ein. Es sollten halt 10 "generische" Grundsätze werden :)
- Informationsaustausch,
- Informationsnutzung,
- Informationsbereitstellung,
- Informationsschutz,
- Informationsverwaltung,
- Informationsbeherrschung,
- Informationsverteilung,
- Informationsbewertung,
- Informationsbewahrung und
- Informationsentsorgung. 

Ansonsten hat man ja immer noch meine "10 Gebote", die man als Leitlinie verwenden kann :)
Schöne Grüße,
Uli

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